Stätten des Altertums – Nuraghen und Gigantengräber

Aus der Bronzezeit stammen die Häuser der wahrscheinlich ersten Siedler auf Sardinien, Nuraghen genannt. Nach ihren Erbauern und Bewohnern, den Nuraghern. Schätzungsweise über zehntausend tonnenschwerer Megalithbauten sind über ganz Sardinien verstreut.

Die steinerne Bienenkörbe

Unweit von der Stadt Capichera nahe des Golfes von Arzachena liegt auf einem Hügel eine historisch prächtige Ansammlung behauener Steine. Teils zu perfekten Grundmauern aufgetürmt, teils wie zufällig, nach einer zerstörerischen Schlacht, über dem Boden verstreut, liegen behauene Granitbbrocken.
Die Zeugen antiker Bauwerke der ältesten Kultur Sardiniens. Sie gaben der größten frühgeschichtlichen Inselkultur des Mittelmeerraumes ihren Namen: die Nuraghenkultur.

Nuraghensiedlung La Prisgiona

Dunkel und Ehrfurcht erregend ragen steinernen Türme in den wolkigen Himmel über sardischem Boden.
Klar erkennbar dominierten Mut, Widerstand und Entschlossenheit die Lebensweise des Steinhaus-Volkes. Gepaart mit tiefem Urglauben und der Sehnsucht nach einem Leben für die Ewigkeit.

So gebaut, trotzen die Grundmauern der „bienenkorbartig“ aussehenden Wehrtürme bis heute Stürmen und Gewittern. Perfekt steht ein Stein auf dem anderen. Ganz ohne Mörtel passt sich ein Felsbrocken an den vorhergehenden, sodass nicht ein einziges Blättchen Papier dazwischen passen würde.

Oft sind nur noch die Stümpfe der Gesteinsriesen vorhanden. Sie lassen jedoch noch äußerst genau die einsturzsichere Bauweise erkennen. Ihr Inneleben zeugt von den Rieten und täglichem Leben ihrer Urbewohner.

Perfekte Baumeister

In la Prisgiona befand sich einst eine Ringmauer, die wichtigste Zentralbauten, das Versammlungshaus und den wertvollen Brunnen schützte.
Eine sieben Meter tiefe Quelle führt noch Wasser.
Auf ihrem Grund fand man Gefäßreste und Schmuckstücke, die auf eine leistungsfähige Kultur hindeuten.
Der höchste Turm der Siedlung war einmal bis zu 27 Meter hoch. Er enthielt zwei begehbare Stockwerke.
Die Etagen waren ausgeklügelt über Steintreppen miteinander verbunden.

Sie war eine schriftlose Kultur. Weder innerhalb der Wohntürme noch ausserhalb der Festungsanlagen wurden bildhafte Aufzeichnungen gefunden, weshalb sie noch heute Rätsel aufgibt.

Kultivierte Lebensstile

Allerdings hat sich ein Irrtum aufgeklärt:
Nicht erst die Phönizier im 9. Jh.v.Chr. brachten Weinreben nach Sardinien.
Kerne von Weintrauben wurden in der Anlage von la Prisgiona gefunden und analysiert. Sie lassen auf die Existenz von weinähnlichem Getränk schon damals schließen.
Für die Forscher ist auch dies Beweis für eine höchst entwickelte Kultur.

Stetig graben und forschen die Archäologen weiter an der geheimnisvollen Stätte, um dem archaischen Bronzevolk Stück für Stück mehr auf die Spur zu kommen.

Gute Strategen

Im gesamten Inselinnern besetzten die Nuragher jeweils in strategisch günstiger Lage die Spitzen von Hügeln. Oft sind mehrere in Sichtweite aufgereiht. Somit vermutet man, dass sie vor allem der Verteidigung dienten und Schutz boten vor Seeräubern oder anderen Eindringlingen.

Forscher sagen, Prisgiona war einst die bedeutendste Nuraghensiedlung der Gallura, in Nordostsardinien. Auch seine Architektur, die so genannte Tholos-Bauweise mit falschen Gewölben und präzise gearbeiteten Steinquadern, ist dort einmalig. Der Name bedeutet auf galluresisch „Gefängnis“, weil die Entdecker fälschlich davon ausgingen, dass es sich um eine urzeitliches Zuchthaus handelte.

Coddu Ecchju – Ruhestätte für Hühnen

Sie werden tombe di giganti genannt, das bedeutet Gigantengräber. Keinesfalls bezogen auf die Körpermaße der sardischen Urvölker. Sondern im Sinne von deren geistiger Größe, beziehungsweise ihrer Klugheit und der großartigen Leistung, mit der sie ihre, für damalige Zeit „gigantischen“ Gebäude, die mehrstöckigen Wehrtürme errichteten.
Das Grab der Giganten von Coddu Ecchju – auch Coddu Vecchiu genannt – ist ein einzigartiges Beispiel für nuraghische Grabbaukunst. Ein  kollektives Grab, das vermutlich für die Bewohner des nahe gelegenen Nurahgedorfes geschaffen wurde.
Durch einen winzigen niedrigen Bogengang war es einst nur von vorne zugänglich.

Beeindruckend ist die über vier Meter hohe, perfekt erhaltene Eingangs-Stele. Auf dieser großen Steinplatte erkennt man  deutlich auch das rechteckige Relief einer Tür. Gedeutet wird es als Symbol für den Kontakt zum Reich der Toten.
Allerdings ist der rundbogige Einlass nur zirka 40 Zentimeter hoch, also für einen Menschen nicht zugänglich.

Hinter der Stelenwand liegt eine über zehn Meter lange Grabkammer, in der die Toten wie im Familienverbund die letzte Ruhe finden sollten. Ganze Sippschaften wurden gemeinsam – vermutlich ohne Rücksicht auf Stand und Rang – darin beerdigt. Die Kammer öffnete man nur von der Hinterseite aus.

Beide Sehenswürdikeiten direkt nacheinander zu besichtigen ist praktisch, denn sie liegen nur wenige Kilometer entfernt.
Für La Prisgonia empfiehlt sich ein Führung zu buchen, um gut informiert in die umfangreiche Nuraghenkultur einzutauchen.

Die steinernen Zeitzeugen der Region Gallura liegen wundervoll eigebettet inmitten von Olivenhainen und Weinbergen.

 

 

Unser Tipp:
Im mittleren Südwesten, in der Provinz Oristano liegt die sehenswerte, nurahgische Wasser-Kultstätte Santa Cristina. Erreichbar über die SS 1231 / E 25 bei Paulilatino.